Energieverbrauch, was wir unwissentlich verbesserten

08.12.2021
Bis heute sind fossile Brennstoffe die wichtigsten Energiequellen in der Schweiz und überall. Noch immer thront Erdöl an der Spitze sämtlichen Energieverbrauchs, gefolgt von Kohle und Gas.

Das Erfordernis einer Energiewende hin zu erneuerbaren Lösungen ist mehrheitlich unbestritten. Zu diesem Zweck wird fleissig nach noch effizienteren Technologien geforscht, währenddessen bestehende Lösungen dank tieferen Herstellungskosten günstiger zu erwerben sind. Gleichwohl bleibt noch viel zu tun. Zurecht fordern jüngere Generationen ihre politische Führung auf, sich engagierter für eine besseres Klima einzusetzen. Und zurecht wird auch nach grüneren Alternativen für das Individuum und die Grossindustrie verlangt. Trotzdem ist es nicht verkehrt, auf unserer Reise in eine klimafreundlichere Zukunft ab und zu rechts ranzufahren, den (Elektro-) Motor auszumachen und im Logbuch zu blättern. Vergegenwärtigt man sich vergangenen Etappen, erfährt man, wie viel wir damals nicht wussten und heute doch besser machen.

Energieverbrauch damals

Im Oktober 1976 widmete das Magazin des Tages Anzeigers (heute: das Magazin) eine ganze Ausgabe «Gegen die Energie-Verschwendung» und fragte seine Leserschaft «Wieviel Energie benötigen wir eigentlich?» Das betreffende Journal informierte, dass 85% der verbrauchten Energie importiert wird und fast die Hälfte aller produzierten Energie schon vor ihrer Nutzung verloren geht (Schilling, 1976).

Nur einige Jahre vor Erscheinen dieser Ausgabe erschütterte die Ölkrise globale Wirtschaften. Wer den «Göppel» tanken wollte, musste im Folgejahr teilweise das Vierfache für Benzin bezahlen. Kein Wunder erfand man zu dieser Zeit die abschliessbaren Tankdeckel. Der Öl Schock rief der Welt ihre Abhängigkeit von den OPEC-Staaten schmerzlich in Erinnerung. Bereits vor dieser Krise riefen Umweltschutz- oder Konsumentenschutzorganisationen zu einem «behutsameren Umgang mit dem kostenbaren Gut Energie» auf.

Wie auch die Schweizerischen Post-, Telefonie- und Telegrafenbetriebe (PTT) war Strom seinerzeit Staatssache und ausschliesslich öffentlich-rechtlich reguliert. Als Folge des steigenden öffentlichen Drucks wurde die Energiepolitik überdacht und zum nationalen Stromsparen aufgerufen. Der damalige Beitrag schlug im Rahmen dessen seiner Leserschaft konkrete Massnahmen in den vier Bereichen «Allgemein», «Verkehr», «Industrie» und «Haushalt» vor.

1. Allgemein:

Schon damals erkannte man das Sparpotential einer kühleren Umgebung. Räumlichkeiten sollten im Durchschnitt auf 20°C anstatt 22°C geheizt werden. Den «Gfrörlis» wurde eine wärmere Garderobe empfohlen. Überhaupt sollten nachts die Heizhähne zugedreht und Ferienhäuser nur bei Anwesenheit erwärmt werden.

Wer erinnert sich nicht an den beissenden Geruch der Heizung in der Kelleretage, besonders dann, wenn Öl auslief. Deshalb empfahl man 1976 die Heizanlagen regelmässig zu warten. Ergänzend wurden verbesserte Isolation, kleine Fenster und eine geringe Oberfläche für bauliche Massnahmen empfohlen. Insgesamt wurde hier mehrheitlich auf Heizmodalitäten verwiesen.

2. Verkehr

Der «Göppel» sollte in der Garage bleiben. Stattdessen wurden Herr und Frau Schweizer angehalten, zu Fuss zu gehen oder wo möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Aerobic und Bewegung waren en vogue, wer Treppen stieg blieb fit und schonte Ressourcen.

Wer auf das Auto nicht verzichten konnte, sollte auf der Autobahn nicht schneller als 100 km/h bzw. innerorts nicht schneller als 50 km/h fahren. Darüber hinaus wurde intelligentes Fahren beworben; niedertourig und vorausschauend war die Devise.

Nach dem zweiten Weltkrieg stand der Besitz eines Autos für Wohlstand, Fortschritt und Unabhängigkeit. In Abkehr dieses Statussymbols wurde der Kauf eines kleineren und leichteren Autos empfohlen. Auch können Fahrten besser geplant und Mobilkraftfahrzeuge durch Car Pooling besser ausgelastet werden.

3. Industrie

Zentral war hier das Vermeiden ungenutzter Energie. Entweichende Wärme sollte nach Möglichkeit gespeist und für weitere Arbeitsschritte zur Verfügung stehen. Zudem konnte durch das Überprüfen der maschinellen Einstellungen die Menge an ungenutzter Energie vorab reduziert werden. Effizientere Logistik und verkürzte Transportwege versprachen ebenfalls Stromeinsparung.

4. Haushalt

Elektronische Geräte sollten nur während ihrer Nutzung eingeschaltet sein, und wo möglich diese zudecken, damit keine Wärme entwiech. Duschen sei dem Baden vorzuziehen. Wer dennoch auf das Baden nicht verzichten wollte, soll die Wanne zu zweit belegen.

Energieverbrauch heute

45 Jahre sind seit dem Erscheinen dieses Magazins vergangen. Punkto Energieproduktion und Energieverbrauch hat sich vieles zum Schlechteren entwickelt aber diese Zeit hat auch positive Errungenschaften hervorgebracht. Wer hätte 1976 davon geträumt, den Staubsauger mit Solarenergie zu betreiben, den «Göppel» mit Elektrizität zu bewegen oder mit dem bis dahin noch unbekannten Smartphone die Heizung zu regulieren. Die damalige Debatte trennt das Problem der Energieeffizienz nicht scharf von jenem der CO2 Emissionen und lässt bestimmte Themen gänzlich aus. So wurde beispielsweise der schlechte Wirkungsgrad von Kernkraftwerken (nur etwa ein Drittel der produzierten Energie wurde in Elektrizität umgewandelt) an keiner Stelle des Artikels den individuellen Beiträgen gegenübergestellt.

 

Heute sind wir schlauer. Nach dem Reaktorunglück von Fukushima entschied die Schweiz in Etappen aus der Kernenergie auszusteigen. Bestehende Kraftwerke dürfen in Betrieb bleiben, aber nach 2011 ist der Bau neuer Reaktoren verboten. Heute haben wir (in der Schweiz) erkannt, dass keine patente Lösung für die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle bereitsteht, der Betrieb von Atomkraftwerken daher unsicher, viel zu teuer und somit nicht wettbewerbsfähig ist.

Nur sieben Jahre später sagte das Schweizer Volk ja zum neuen Energiegesetz (2018). Im Rahmen der Eidgenössischen Klimastrategie 2050 wurde eine Vielzahl an Massnahmen beschlossen, welche schrittweise die Transformation von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien fördern. Dem Gesetz sind konkrete CO2 Richtwerte für Motorfahrzeuge oder Neubauten zu entnehmen. Ferner setzt das neu eingeführte Gebäudeprogramm Hauseigentümerinnen Anreize, alte Bauten energieeffizienter zu sanieren. Wer beispielsweise seine betagten Ölheizungen durch Wärmepumpen ersetzt und die Gebäude besser isoliert, darf auf eine Steuererleichterung hoffen.

Was wir heute mit einem Blick zurück als infantil belächeln, war wegbereitend für Veränderung. Die Migros liess sich 1976 mit folgendem Satz zitieren: «Energiesparen ist weniger technische Aufgabe als eine Führungsaufgabe. Es geht darum das Verständnis und die Haltung aller Mitarbeiter zu verändern.» Veränderung braucht Mut, Erfindergeist und vor allem Zeit. Veränderung setzt aber auch eine informierte Willensbildung voraus, d. h. den ungehinderten Zugang zu Information und Wissen.

Die Weltgemeinschaft ist sich der globalen Klimakrise mehrheitlich bewusst und arbeitet gestützt auf der Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung an einer erfolgreichen Energiewende. Alle Sektoren, alle Stakeholder sind aufgerufen Teil der Lösung zu sein und an einer erfolgreichen Umsetzung der zugehörigen Nachhaltigkeitsziele mitzuwirken. Ob zu Hause, im Büro oder unterwegs; auch als Individuen können wir weiterhin kleine Beiträge leisten, um das Klima nicht unnötig zu belasten. Die Hauptsache bleibt: Wir machen heute besser, was wir damals nicht wussten.

 

Source:

Schilling, R., 1976. Energie sparen statt vergeuden. Wie es zu machen ist und noch nicht gemacht wird. Tages Anzeiger Magazin, (44), pp.6-15.

Die Abbildungen erschienen ebenfalls in der Ausgabe des Tages Anzeiger Maganzins, Ausgabe 44, Oktober 1976

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